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am 23.08.2019 23:22
Es sind 37 Grad. Schweiß tropft von Gerhards Stirn. Bagger lärmen,
Presslufthämmer und anderes schweres Gerät rumoren in ohrenbetäubender
Lautstärke. Doch Gerhard blendet die massiven Maschinen aus. Auch die
Schaulustigen hinter der Baustellenabsperrung nimmt er kaum wahr: Seine Hände
müssen mit chirurgischer Präzision Glasfaserkabel reparieren, bzw. spleißen.
Denn seit heute Morgen ein Bagger bei Tiefbaumaßnamen ein Kabel durchtrennte,
sind zahlreiche Menschen ohne Internet, Telefon und Fernsehen.
Tausende Tiefbaumaßnamen finden jährlich in Deutschland statt. Doch
obwohl die Lage der Leitungen von Tiefbauämtern dokumentiert wird und ein
leuchtend gelbes Band im Boden die Kabeltrassen signalisiert, fällt etwa einmal
am Tag ein Datenkabel einem Bagger, einem Horizontalbohrer oder einer
Vibrationsramme zum Opfer. Das ist besonders ärgerlich, da sich die Kabel in
einer Tiefe von sechs Metern befinden, um immense Datenmengen zuverlässig und
über tausende Kilometer transportieren.
Werden Datenkabel beschädigt oder gar durchtrennt, geht in vielen
Haushalten das Internet aus und bei Unitymedia die Alarmglocken an. Aber als
Kabelnetzanbieter kennt man solche Fälle und ist vorbereitet. Wird Alarm
geschlagen, geschieht dies im Gehirn des Unitymedia Netzes, dem Netzbetriebszentrum
in Kerpen (auch Network Operation Center oder kurz „NOC“ genannt).
Zahlenkolonnen, Kurvendiagramme und farbcodierte Netzkarten auf den Monitoren
der Techniker decken jede Unregelmäßigkeit auf. Gehen mehrere Kabelmodems bei
Kunden in einem bestimmten Gebiet in kürzester Zeit offline, steckt in drei von
vier Fällen ein Stromausfall des regionalen Energieversorgers hinter dem
Ausfall der Dienste so Frank Fossemer, der Leiter des NOC in Kerpen. Da
Unitymedia diesen nicht selbst reparieren kann, informieren die Kundenhotline,
die Pressestelle und das Social Media-Team die Kunden, damit diese
schnellstmöglich erfahren, was passiert ist.
Ist jedoch der Datenstrom zwischen den Knotenpunkten des Glasfasernetzes
gestört, gilt es, keine Zeit zu verlieren. Denn kommen an einem
Kabelknotenpunkt keine Daten mehr an, ist eine Kabelstrecke beschädigt. Dann
kommen um die 3000 Techniker, verteilt auf das gesamte Netzgebiet, zum Einsatz
und flicken, auch bei Wind und Wetter das Netz.
Oft wird der Schaden vom Verursacher gemeldet. Ist dies nicht der Fall,
steuern Gerhard und seine Kollegen von Unitymedia den letzten funktionierenden
Knotenpunkt an. Haben sie diesen erreicht, kommt eine Spezialsoftware zum
Einsatz. Diese misst die Mikrosekunden, die die Daten benötigen, um mit
Lichtgeschwindigkeit auf dem toten Faserabschnitt hin- und zurück gesendet zu
werden. Anhand der Laufzeit lässt sich die Schadensstelle auf den Meter genau
bestimmen. Sollte die entsprechende Stelle nicht zugänglich ist, muss ein
lokales Tiefbauunternehmen hinzugezogen werden, um diese freizulegen.
Erst jetzt kommen Gerhards ruhige Hände ins Spiel. Im Gegensatz zu
Koaxialkabel, bei denen ein kunststoffummantelter, massiver Kupferkern die
Signalfrequenzen überträgt, bestehen Glasfaserkabel aus hunderten haarfeinen
Faserbündeln. Bei einer Beschädigung müssen Spezialisten wie Gerhard die
gläsernen Faserenden präzise absetzen, richtig zuordnen, auf den Mikrometer
genau verschweißen und mit einer Schutzabdeckung versehen. Dafür verwenden sie
ein Spezialgerät, das die Glasfaserenden auf einem Bildschirm wie unter dem
Mikroskop zeigt. Faser für Faser wird auf diese Weise gerichtet, verschweißt,
durchgemessen und in einem Verbindungsstück, der sogenannten Muffe, verstaut.
Den gesamten Vorgang nennt man im Fachjargon „Spleißen“.
Manchmal muss Gerhard mehrere Hundert Faserpaare reparieren. Eine ganz
schon schweißtreibende und anspruchsvolle Arbeit. Doch mit jeder neu
gespleißten Faser geht eine dreistellige Zahl an Haushalten wieder online. Das
stellt Gerhard zufrieden.